Der Entourage-Effekt

Was Du über das Zusammenspiel von Wirkstoffen in medizinischem Cannabis wissen musst

Viele kennen THC und CBD als die Hauptwirkstoffe von Cannabis. Aber was, wenn sie in Kombination – sowohl miteinander als auch mit anderen Pflanzenstoffen – noch effektiver wirken? Der sogenannte Entourage-Effekt beschreibt genau dieses Phänomen. Allerdings zeigt die Forschung zu diesem Thema widersprüchliche Ergebnisse, weshalb die Existenz des Effekts noch nicht abschließend belegt ist.

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Letzte Änderung:

21.1.2025

Das Wichtigste in Kürze
  • Beim Entourage-Effekt verstärken sich die Wirkstoffe in medizinischem Cannabis – insbesondere Cannabinoide und Terpene – gegenseitig.
  • Die Kombination verschiedener Wirkstoffe kann helfen, das Auftreten möglicher Nebenwirkungen bei der Anwendung von Cannabis zu reduzieren.
  • Die Studienlage ist widersprüchlich: Es bedarf noch weiterer Forschung, um zu klären, ob der Entourage-Effekt wirklich existiert.

Was ist der Entourage-Effekt?

Das Wort „Entourage“ stammt aus dem Französischen und bedeutet Umgebung oder Gefolge. Übertragen auf medizinisches Cannabis geht es dabei um Stoffe, die in der Umgebung eines anderen Stoffs zu finden sind und miteinander interagieren können. Der Entourage-Effekt beschreibt also, dass die verschiedenen Wirkstoffe in der Cannabispflanze – wie Cannabinoide und Terpene – zusammen eine stärkere Wirkung haben als einzeln. Dadurch kann medizinisches Cannabis besser wirken und mögliche Nebenwirkungen treten seltener auf.

Cannabinoide und ihre Wirkung im Entourage-Effekt

Cannabinoide sind die Hauptwirkstoffe in medizinischem Cannabis und spielen eine entscheidende Rolle bei der Linderung von Symptomen. Bisher wurden mehr als 100 Cannabinoide entdeckt. Die beiden bekanntesten sind THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol), die in unterschiedlichen Konzentrationen in verschiedenen Cannabis-Sorten vorkommen.

  • THC ist das in der Cannabispflanze am häufigsten vorkommende Cannabinoid. Es ist für die psychoaktive Wirkung verantwortlich und bietet zahlreiche therapeutische Vorteile. Es wirkt: 
  • Schmerzlindernd
  • Appetitanregend
  • Stimmungsaufhellend
  • Muskelentspannend
  • Entzündungshemmend
  • Schlaffördernd
  • CBD ist das zweithäufigste Cannabinoid und hat im Gegensatz zu THC keine psychoaktive Wirkung. Zu den wichtigsten therapeutischen Eigenschaften gehören:
  • Reduzierung von Angst- und Stress
  • Schmerzlinderung
  • Entzündungshemmung
  • Schlafförderung 
  • Krampflösung

Im Rahmen des Entourage-Effekts wirkt CBD als Gegenspieler von THC. Es hilft, die psychoaktiven Nebenwirkungen von THC wie Angstzustände, Herzrasen und Unruhe zu reduzieren.1 Diese ausgleichende Wirkung von CBD macht die therapeutische Wirkung von THC effektiver und gleichzeitig verträglicher.

Terpene in Cannabis

Terpene sind natürliche Verbindungen und für den typischen Geruch von medizinischem Cannabis verantwortlich. Es gibt mehr als 200 verschiedene Terpene, und jede Cannabis-Sorte hat ihr eigenes Terpen-Profil. Es wird diskutiert, dass sie in Kombination mit Cannabinoiden die therapeutische Wirkung von Cannabis-Präparaten verstärken können. Weitere Forschung ist jedoch erforderlich, um dies zu bestätigen.2

Bei der Auswahl der Sorte sollte die medizinische Wirkung der einzelnen Terpene berücksichtigt werden: 

  • Myrcen kommt häufig in Cannabis vor und soll eine entspannende und schlaffördernde Wirkung haben.
  • Limonen soll stimmungsaufhellende und angstlindernde Eigenschaften besitzen.
  • Pinene soll die Bronchien erweitern und damit das Atmen erleichtern. Das Terpen kann kurzzeitige Gedächtnisprobleme abschwächen, die als Nebenwirkung von THC auftreten können.
  • Linalool soll eine beruhigende Wirkung haben. Das Terpen kann bei Stress und Angstzuständen helfen und einen gesunden Schlaf fördern.
  • Caryophyllen soll entzündungshemmende und schmerzlindernde Eigenschaften haben.

Der Entourage-Effekt in der Praxis

Der Entourage-Effekt beschreibt die verstärkende Wirkung, die entsteht, wenn die verschiedenen Inhaltsstoffe von Cannabis – insbesondere Cannabinoide und Terpene – zusammenwirken. In der medizinischen Anwendung von Cannabis wird dieser Effekt durch Produkte genutzt, die eine Vielzahl dieser Inhaltsstoffe enthalten, so genannte Vollspektrum-Cannabis-Produkte. Diese Produkte, wie Cannabis-Blüten, Vollspektrum-Extrakte, -Öle und -Tinkturen, werden so hergestellt, dass die Auswahl und Konzentration der Cannabinoide und Terpene gezielt auf den jeweiligen therapeutischen Bedarf abgestimmt sind.

Konkreter ist ein solches Produkt beispielsweise Sativex®: ein Mundspray, das häufig zur Behandlung von Spastik bei Patienten und Patientinnen mit Multipler Sklerose eingesetzt wird.4 THC und CBD in Sativex wirken zusammen. CBD sorgt dafür, dass die Nebenwirkungen von THC wie Angstzustände oder Herzrasen weniger stark sind. Gleichzeitig unterstützt CBD die muskelentspannende und schmerzlindernde Wirkung von THC.5

Dank des Entourage-Effekts kann die Dosierung von medizinischem Cannabis individuell angepasst werden, um eine optimale therapeutische Wirkung zu erzielen. Es ist jedoch wichtig, medizinisches Cannabis stets in Absprache mit einem erfahrenen Arzt oder einer erfahrenen Ärztin anzuwenden.

Gibt es den Entourage-Effekt wirklich? Das sagt die Studienlage

Ob der Entourage-Effekt tatsächlich existiert, ist in der Wissenschaft noch nicht abschließend geklärt. Eine Übersichtsarbeit von Christensen et al. (2023) zeigt, dass die Studienlage widersprüchlich ist.6 Es fehlen solide wissenschaftliche Belege, die den Entourage-Effekt eindeutig bestätigen. Einige Studien unterstützen die Theorie, dass die Kombination von Cannabinoiden und Terpenen die Wirkung von medizinischem Cannabis verstärken kann, während andere Forschungsergebnisse keine eindeutigen Belege liefern.

Kritiker und Kritikerinnen argumentieren, dass der Begriff „Entourage-Effekt“ oft zu Marketingzwecken verwendet wird, ohne dass ausreichend fundierte Studien vorhanden sind. Weitere Forschung ist erforderlich, um zu klären, ob es diesen Effekt tatsächlich gibt.

Zusammenfassung

Der Entourage-Effekt beschreibt das Phänomen, dass Cannabinoide wie CBD und THC – möglicherweise auch in Kombination mit Terpenen – zusammen eine stärkere Wirkung entfalten als isoliert. Diese Theorie legt nahe, dass dadurch sowohl die therapeutische Wirkung von medizinischem Cannabis verstärkt als auch die Nebenwirkungen reduziert werden können. Ob es diesen Effekt tatsächlich gibt, wird in der Wissenschaft jedoch noch diskutiert, da die Studienlage widersprüchlich ist und weiterer Forschungsbedarf besteht.

Häufige Fragen

Sorten mit hohem THC- und CBD-Anteil zeigen oft einen stärkeren Entourage-Effekt. CBD mildert die Nebenwirkungen von THC und verstärkt gleichzeitig die therapeutische Wirkung.

Bei synthetischen Cannabinoiden tritt der Entourage-Effekt in der Regel nicht auf, da sie oft nur einen isolierten Wirkstoff enthalten. Nur durch die Zugabe von Terpenen oder anderen Pflanzenstoffen könnte ein solcher Effekt erreicht werden.

Ja, der Entourage-Effekt kann die Dosierung beeinflussen. Ist der CBD-Gehalt hoch, wird die Wirkung von THC gemildert. Eine Anpassung der Dosierung könnte erforderlich sein, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Quellenangaben

  1. Ferber, S. G., Namdar, D., Hen-Shoval, D., Eger, G., Koltai, H., Shoval, G., Shbiro, L., & Weller, A. (2020). The „entourage effect“: Terpenes coupled with cannabinoids for the treatment of mood disorders and anxiety disorders. Current Neuropharmacology, 18(2), 87–96. https://doi.org/10.2174/1570159X17666190903103923
  1. University of Western Ontario. (2019, September 30). Cannabis study reveals how CBD offsets the psychiatric side-effects of THC. Science Daily. https://www.sciencedaily.com/releases/2019/09/190930131115.htm
  1. National Academies of Sciences Engineering and Medicine, Health and Medicine Division, Board on Population Health and Public Health Practice, & Committee on the Health Effects of Marijuana: An Evidence Review and Research Agenda. (2017). The health effects of cannabis and cannabinoids: The current state of evidence and recommendations for research. National Academies Press.
  1. Russo, E. B. (2011). Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid-terpenoid entourage effects: Phytocannabinoid-terpenoid entourage effects. British Journal of Pharmacology, 163(7), 1344–1364. https://doi.org/10.1111/j.1476-5381.2011.01238.x
  1. Deutscher Ärzteverlag GmbH. (2023, December 15). Gegen den Symptom-Komplex bei MS: Add-on-Therapie Sativex. Deutsches Ärzteblatt.https://www.aerzteblatt.de/archiv/235932/Gegen-den-Symptom-Komplex-bei-MS-Add-on-Therapie-Sativex
  1. Kleiner, D., Horváth, I. L., Bunduc, S., Gergő, D., Lugosi, K., Fehérvári, P., Hegyi, P., & Csupor, D. (2023). Nabiximols is efficient as add-on treatment for patients with multiple sclerosis spasticity refractory to standard treatment: A systematic review and meta-analysis of randomised clinical trials. Current Neuropharmacology, 21(12), 2505–2515. https://doi.org/10.2174/1570159X21666230727094431
  2. Christensen, C., Rose, M., Cornett, C., & Allesø, M. (2023). Decoding the postulated entourage effect of medicinal Cannabis: What it is and what it isn’t. Biomedicines, 11(8). https://doi.org/10.3390/biomedicines11082323