So wirkt medizinisches Cannabis

Wie sich Cannabis auf Deinen Körper und Deine Psyche auswirken kann

Medizinisches Cannabis hat in Deutschland Einzug in die medizinische Versorgung gehalten. Doch wofür kann es eingesetzt werden, wie wirkt es genau und welche Nebenwirkungen sind möglich? Dieser Artikel gibt einen ersten Überblick über das Wirkungsspektrum von medizinischem Cannabis.

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Letzte Änderung:

22.1.2025

Das Wichtigste in Kürze
  • Medizinisches Cannabis unterliegt strengen Qualitätsstandards und gesetzlichen Vorschriften, während Freizeit-Cannabis unreguliert ist und potenziell gesundheitsschädliche Substanzen enthalten kann.
  • Die Wirkung und Verträglichkeit von Cannabis hängen von vielen Einflussgrößen ab, darunter dem Wirkstoffgehalt, der Darreichungsform und den individuellen Voraussetzungen der Anwender:innen.
  • Medizinisches Cannabis zeigt in manchen Bereichen vielversprechende Therapieansätze, muss aber noch weiter erforscht werden.

Was passiert bei der Anwendung von Cannabis im Körper?

Cannabis-Pflanzen enthalten eine Vielzahl von Wirkstoffen, die Cannabinoide genannt werden. Die bekanntesten sind: 

  • Tetrahydrocannabinol (THC)  
  • Cannabidiol (CBD). 

Beide sind in medizinischem Cannabis enthalten. Die Cannabinoide docken im Körper an speziellen Rezeptoren an: 

  • CB1-Rezeptoren, die sich vor allem im Gehirn und Rückenmark befinden
  • CB2-Rezeptoren die sich unter anderem im Immunsystem und im Verdauungssystem befinden  

Diese Rezeptoren sind Teil des sogenannten Endocannabinoidsystems, das verschiedene Funktionen und Prozesse in unserem Körper reguliert, darunter Appetit, Schmerzempfinden, Gedächtnis und Stimmung.

Sowohl THC als auch CBD wirken auf das Endocannabinoidsystem ein, jedoch auf unterschiedliche Weise. THC hat eine psychoaktive Wirkung und ist für das „High“ von Cannabis verantwortlich. Es sorgt dafür, dass der Körper Dopamin ausschüttet, das auch als „Glückshormon“ bezeichnet wird. CBD hingegen ist nicht psychoaktiv, macht also nicht high, sondern entspannt.

Wann tritt die Wirkung von Cannabis ein?

Beim Inhalieren von Cannabis tritt die Wirkung in der Regel nach wenigen Sekunden / Minuten ein und hält etwa 2-3 Stunden an. Bei der oralen Einnahme hingegen müssen die Wirkstoffe erst im Verdauungstrakt verarbeitet werden. Der Wirkungseintritt erfolgt daher verzögert: innerhalb von 30 Minuten bis zu zwei Stunden. Dafür hält die Wirkung 4 bis 8 Stunden an.

Welche möglichen positiven Wirkungen hat medizinisches Cannabis?

Da CBD und THC auf die Schmerzwahrnehmung wirken, kann eine potenzielle Schmerzlinderung erreicht werden.1 

Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2021, in der 32 Studien mit insgesamt 5.174 Teilnehmenden untersucht wurden, zeigt, dass oral verabreichtes medizinisches Cannabis die Schmerzen, die Funktionsfähigkeit im Alltag und die Schlafqualität von Menschen mit chronischen Schmerzen leicht verbessern kann.2

Studien zeigen, dass CBD Angst reduzieren und entspannend wirken kann. In einer Studie3 berichteten 66,7 Prozent der Teilnehmenden nach vier Wochen über einen erholsameren Schlaf.

Darüber hinaus zeigt eine Studie, dass in einigen Fällen herkömmliche Schlafmittel durch medizinisches Cannabis ersetzt werden können, was sowohl die Schlafqualität als auch die Durchschlafdauer positiv beeinflussen kann.4

Medizinisches Cannabis kann zur Muskelentspannung beitragen und als ergänzende Therapie zur Behandlung von Muskelkrämpfen bei Multipler Sklerose eingesetzt werden.5 Es kann auch den Appetit anregen und in einigen Fällen Übelkeit lindern, z. B. bei Übelkeit infolge einer Chemotherapie.

Trotz einiger potenziell vielversprechender Anwendungsmöglichkeiten sind weitere Studien notwendig, um zusätzliche Erkenntnisse zu gewinnen. Zudem sollte der Einsatz von medizinischem Cannabis immer individuell und in enger Absprache mit einem Arzt / einer Ärztin geprüft werden./p>

Welche möglichen Nebenwirkungen hat Cannabis?

Medizinisches Cannabis kann wie jedes andere Medikament Nebenwirkungen hervorrufen. Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen unter anderem:

  • Schwindel
  • Schweißausbrüche
  • Übelkeit
  • Herzrasen
  • Unruhe 
  • Desorientierung
  • Trockener Mund 
  • Trockene Augen

In seltenen Fällen können auch Angstzustände oder Verfolgungswahn auftreten.

Bitte beachte, dass die Nebenwirkungen auch von der verwendeten Cannabis-Sorte, der Darreichungsform, der Dosis sowie der individuellen Reaktion des Körpers abhängen. 

Wichtig!

Bei starken und / oder länger anhaltenden Nebenwirkungen suche bitte sofort medizinische Hilfe auf.

Die Langzeitwirkungen von medizinischem Cannabis sind noch nicht vollständig erforscht. Studien zeigen jedoch, dass beim Freizeitkonsum von Cannabis Langzeitwirkungen wie verstärkte Angstzustände, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme sowie psychische Erkrankungen (z. B. Schizophrenie) auftreten können. Auch eine Schädigung der Atemwege und die Entwicklung eines Reizhustens sind möglich, wenn Cannabis inhaliert wird.6,7,8

Bei regelmäßiger Anwendung besteht die Gefahr einer psychischen und in geringerem Maße auch einer körperlichen Abhängigkeit.

Es ist wichtig, dass medizinisches Cannabis nur unter ärztlicher Aufsicht verwendet wird, um das Risiko von Nebenwirkungen und Abhängigkeit zu minimieren.

Wie und wo: Set und Setting machen den Unterschied

Nicht nur der Wirkstoff beeinflusst die Wirkung. Auch Set und Setting spielen eine entscheidende Rolle, um die Wirkung zu optimieren und Nebenwirkungen zu reduzieren.9

Set: Deine psychische Verfassung vor und während der Anwendung von medizinischem Cannabis 

Dazu gehören unter anderem:

  • Psychische Stabilität
  • Grad der Entspannung
  • Grad der Erschöpfung
  • Körperliche Fitness

Setting: Die räumliche Umgebung während und nach der Anwendung von medizinischem Cannabis

Dazu gehören unter anderem:

  • Sicherheit der Umgebung
  • Umgebungstemperatur
  • Anwesenheit anderer Personen
  • Verhältnis zu den anwesenden Personen

Zusammenfassung

THC, CBD und andere Cannabinoide aus der Hanfpflanze wirken, indem sie an spezielle Stellen auf der Zelloberfläche, den sogenannten Cannabinoid-Rezeptoren (CB-Rezeptoren), andocken. So beeinflussen sie die Signale, die zwischen Nervenzellen übertragen werden, und dämpfen sowohl beruhigende als auch anregende Botschaften im Nervensystem. Auf diese Weise regulieren Cannabinoide verschiedene Körperfunktionen wie Schmerzempfinden, Erregung, Körpertemperatur, geistige Leistungsfähigkeit, körperliche Aktivität, Stressempfinden, Entzündungsneigung und Hungergefühl. Die Wirkung von medizinischem Cannabis kann von Person zu Person unterschiedlich sein und hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Dosierung, der Darreichungsform, der individuellen Toleranz gegenüber Cannabis und dem Gesundheitszustand. Es gibt einige vielversprechende Ansätze für die Anwendung von medizinischem Cannabis, aber die Studienlage ist noch dünn, sodass weitere Forschung erforderlich ist.

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Häufige Fragen

Das ist individuell verschieden und hängt vor allem von der Art der Untersuchung ab. Während Cannabis beispielsweise im Speichel maximal 24 Stunden nachweisbar ist, kann es im Haar bis zu 13 Monate nach der letzten Anwendung nachgewiesen werden.

Wer regelmäßig Cannabis konsumiert, entwickelt eine Toleranz und benötigt eine höhere Dosis, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Außerdem können individuelle Faktoren wie die psychische Verfassung vor und während des Konsums die Wirkung von Cannabis verändern.

Ein Hebel ist die Dosis. Zudem gibt es Produkte mit höherem oder niedrigerem THC- oder CBD-Gehalt, um eine stärkere oder schwächere Wirkung zu erzielen. Auch die Form der Anwendung ist relevant: Wer medizinisches Cannabis oral verabreicht, erreicht eine längere Wirkdauer.

Die bekanntesten Unterschiede zwischen den Cannabis-Sorten sind Indica- und Sativa-Pflanzen, die sich durch ihr Ursprungsland, ihre Wachstumsperiode, ihr Größenwachstum und ihre Blütezeit unterscheiden. 

Indica-Sorten wird eine beruhigende und Sativa-Sorten eine anregende Wirkung zugeschrieben, aber durch Züchtung und Kreuzung haben beide Sorten sehr THC-reiche oder sehr CBD-reiche Stämme hervorgebracht. 

Cannabis-Sorten unterscheiden sich also hauptsächlich durch ihren Gehalt an Cannabinoiden. Obwohl es auch andere Stoffe wie Terpene oder Öle gibt, durch die sich Cannabissorten voneinander abheben, werden sie häufig nach ihrem THC- und CBD-Gehalt klassifiziert. 

In der Regel ja. Denn medizinisches Cannabis ist ein streng reguliertes Produkt mit bekanntem THC- und CBD-Gehalt. Die Wirkung ist daher besser einschätzbar und konstanter. Außerdem enthält medizinisches Cannabis oft mehr CBD, das Schmerzen lindern kann, aber nicht psychoaktiv ist. Da medizinisches Cannabis gesetzlichen Vorschriften unterliegt, ist seine Reinheit garantiert. Cannabis, das in der Freizeit konsumiert wird, kann dagegen unerwünschte Substanzen enthalten.

Quellenangaben

  1. 1 FAQ: Cannabinoide in der Schmerztherapie. (o. J.). Kantonsspital St.Gallen. Abgerufen 1. Oktober 2024, von https://www.kssg.ch/schmerzzentrum/fuer-patienten-besucher/faq-cannabinoide-der-schmerztherapie
  2. CBD vs. THC: What’s the difference? (o. J.). WebMD. Abgerufen 1. Oktober 2024, von https://www.webmd.com/pain-management/cbd-thc-difference
  3. Cannabis. (2024, Juni 17). Stiftung Gesundheitswissen. https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/wissen/cannabis/wirkung
  4. 2Wang, L., Hong, P. J., May, C., Rehman, Y., Oparin, Y., Hong, C. J., Hong, B. Y., AminiLari, M., Gallo, L., Kaushal, A., Craigie, S., Couban, R. J., Kum, E., Shanthanna, H., Price, I., Upadhye, S., Ware, M. A., Campbell, F., Buchbinder, R., … Busse, J. W. (2021). Medical cannabis or cannabinoids for chronic non-cancer and cancer related pain: a systematic review and meta-analysis of randomised clinical trials. BMJ (Clinical Research Ed.), 374, n1034. https://doi.org/10.1136/bmj.n1034
  5. 3Shannon, S., Lewis, N., Lee, H., & Hughes, S. (2019). Cannabidiol in anxiety and sleep: A large case series. The Permanente Journal, 23, 18–041. https://doi.org/10.7812/TPP/18-041
  6. 4Vaillancourt, R., Gallagher, S., Cameron, J. D., & Dhalla, R. (2022). Cannabis use in patients with insomnia and sleep disorders: Retrospective chart review. Revue Des Pharmaciens Du Canada [Canadian Pharmacists Journal], 155(3), 175–180. https://doi.org/10.1177/17151635221089617
  7. 5Baron, E. P., Lucas, P., Eades, J., & Hogue, O. (2018). Patterns of medicinal cannabis use, strain analysis, and substitution effect among patients with migraine, headache, arthritis, and chronic pain in a medicinal cannabis cohort. The Journal of Headache and Pain, 19(1), 37. https://doi.org/10.1186/s10194-018-0862-2
  8. 6Myran, D. T., Harrison, L. D., Pugliese, M., Tanuseputro, P., Gaudreault, A., Fiedorowicz, J. G., & Solmi, M. (2024). Development of an anxiety disorder following an emergency department visit due to cannabis use: a population-based cohort study. EClinicalMedicine, 69(102455), 102455. https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2024.102455
  9. 7Hall, W., & Degenhardt, L. (2008). Cannabis use and the risk of developing a psychotic disorder. World Psychiatry: Official Journal of the World Psychiatric Association (WPA), 7(2), 68–71. https://doi.org/10.1002/j.2051-5545.2008.tb00158.x
  10. 8Meier, M. H., Caspi, A., Ambler, A., Harrington, H., Houts, R., Keefe, R. S. E., McDonald, K., Ward, A., Poulton, R., & Moffitt, T. E. (2012). Persistent cannabis users show neuropsychological decline from childhood to midlife. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 109(40), E2657-64. https://doi.org/10.1073/pnas.1206820109
  11. Preuss, U. W., Huestis, M. A., Schneider, M., Hermann, D., Lutz, B., Hasan, A., Kambeitz, J., Wong, J. W. M., & Hoch, E. (2021). Cannabis use and car crashes: A review. Frontiers in Psychiatry, 12, 643315. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2021.643315
  12. 9Hartogsohn, I. (2017). Constructing drug effects: A history of set and setting. Drug Science, Policy and Law, 3. https://doi.org/10.1177/2050324516683325