Trotz intensiver Forschung gibt es bis heute keine heilende Therapie gegen Migräne. Die verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten zielen vor allem darauf ab, die Häufigkeit und Intensität der Anfälle zu reduzieren. Die Anwendung von medizinischem Cannabis zur Behandlung von Migräne könnte in Zukunft ein relevantes Forschungsfeld werden. Derzeitige Studienergebnisse sind zwar noch nicht eindeutig, doch insbesondere die in Cannabis enthaltenen Cannabinoide THC und CBD könnten zur Linderung der typischen Migräne-Symptome beitragen.
Migräne ist eine weit verbreitete chronische Erkrankung. Bis zu 10 % aller Menschen sind davon betroffen, wobei der Anteil an Frauen deutlich höher ist.1 Sie ist durch wiederkehrende, meist einseitige Kopfschmerzen gekennzeichnet, die häufig mit Übelkeit, Erbrechen und einer erhöhten Licht- und Geräuschempfindlichkeit einhergehen.
Die genauen Ursachen der Migräne sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Kombination aus genetischen, neurologischen, hormonellen und umweltbedingten Faktoren eine Rolle spielt.2
Lange galt die Annahme, dass Migräne hauptsächlich durch eine extreme Weitung der Blutgefäße ausgelöst werden könnte. Doch der heutige Stand der Medizin geht davon aus, dass auch die Ausschüttung von Entzündungsmediatoren (körpereigene Stoffe, die eine Entzündungsreaktion des Körpers einleiten) eine Rolle spielt.3
Migräne wird von verschiedenen Symptomen begleitet, die sich von Person zu Person unterscheiden:
Eine Studie aus dem Jahr 2022 deutet darauf hin, dass medizinisches Cannabis dazu beitragen könnte, Symptome wie Übelkeit und Erbrechen im Zusammenhang mit Migräneattacken zu reduzieren.4
Ähnlich wie bei der Einnahme von Amitriptylin kam es bei den Probandinnen und Probanden zu rund 40 % weniger Migräneattacken bei der Anwendung von medizinischem Cannabis. Ob medizinisches Cannabis im Vergleich zu Amitriptylin wirksamer sein könnte, lässt sich jedoch nicht abschließend beurteilen.
Zudem wiesen die Forschenden darauf hin, dass es allgemein noch an belastbaren Studien mangele, um die Anwendung von medizinischem Cannabis gegen Migräne genau evaluieren zu können.
Die Behandlung von Migräne mit medizinischem Cannabis kann in zwei Ansätze unterteilt werden – die akute und präventive (vorbeugende) Therapie:
Die Anwendung von medizinischem Cannabis sollte immer in enger Absprache mit einem Arzt / einer Ärztin erfolgen. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf die enthaltenen Cannabinoide.
Mögliche Nebenwirkungen, insbesondere bei THC-haltigen Produkten, sind unter anderem:
Daher ist es wichtig, eine Behandlung schrittweise und unter ärztlicher Aufsicht zu beginnen.
Erfahrungsberichte von Patientinnen und Patienten legen nahe, dass medizinisches Cannabis die Häufigkeit von Migräneattacken reduzieren und in akuten Fällen eine lindernde Wirkung haben könnte. Allerdings sind großangelegte, fundierte klinische Studien zur genauen Wirksamkeit und Sicherheit bislang begrenzt.
Eine kleinere Studie mit 121 erwachsenen Personen zeigte folgende Ergebnisse5:
Es ist jedoch zu beachten, dass die meisten Teilnehmer:innen medizinisches Cannabis in verschiedenen Darreichungsformen verwendeten und die Produkte hauptsächlich zur Vorbeugung von Migräneattacken nutzten.
Größere Studien sind allerdings notwendig, um die langfristigen Effekte und Anwendungsmöglichkeiten genauer zu untersuchen.
Im Folgenden wird ein Überblick über weitere Studien gegeben, die sich mit der Anwendung von Cannabis bei der Behandlung von Migräne befasst haben.
1. Cannabis kann Migränehäufigkeit und -dauer reduzieren6
Diese Literaturstudie weist darauf hin, dass der Konsum von medizinischem Cannabis die Häufigkeit und Dauer von Migräne und Kopfschmerzen unbekannter Herkunft verringern könnte.
Relevante Inhaltsstoffe wie THC, CBD, Terpene und Flavonoide könnten das Endocannabinoidsystem beeinflussen und dadurch die Schmerzwahrnehmung (Nozizeption) sowie die Häufigkeit von Migräne-Symptomen verringern.
2. Historische Perspektiven: Cannabis als Schmerzmittel bei Migräne7
In dieser Studie wurden historische Belege und Perspektiven zur Schmerzreduktion durch Cannabis untersucht. Es gibt Hinweise darauf, dass Cannabinoide, insbesondere THC und CBD, positive Effekte bei der Behandlung von Migräne und Kopfschmerzen haben könnten. Die Literatur zeigt zunehmende Belege für die schmerzlindernden Eigenschaften von Cannabis.
3. Subjektiver Erfolg: weniger Migräneanfälle und weniger Medikamente8
Diese Untersuchung befasste sich mit der subjektiven Wahrnehmung von Migräneattacken und Kopfschmerzen nach dem Konsum von medizinischem Cannabis. 36 % der Befragten gaben an, Cannabis zur Linderung von Migräne zu nutzen, und 40 % berichteten von positiven Effekten.
Die Häufigkeit von Migräneanfällen konnte von durchschnittlich 10,4 auf 4,6 pro Monat reduziert werden. Zudem berichteten 2/3 der Teilnehmenden, dass sie weniger reguläre Migräne-Medikamente benötigten.
4. Nabilon wirksamer als Ibuprofen bei Migräneschmerz9
In dieser klein angelegten Doppelblindstudie wurde die Wirksamkeit des synthetischen Cannabinoids Nabilon mit der von Ibuprofen bei 30 Migräne-Patienten und -Patientinnen verglichen.
Die Ergebnisse zeigten, dass Nabilon wirksamer als Ibuprofen war, um die Schmerzen zu lindern und die Einnahme von Schmerzmitteln zu reduzieren. Zudem verbesserte es die subjektive Lebensqualität der Teilnehmenden. Nebenwirkungen traten selten auf.
Erste Studienergebnisse zeigen, dass medizinisches Cannabis sowohl vorbeugend als auch akut bei Migräne helfen kann. Nebenwirkungen traten zwar selten auf, die erforderliche Dosierung stieg jedoch mit der Dauer der Anwendung. Um Missbrauch zu vermeiden und die Wirksamkeit der Behandlung zu gewährleisten, ist es wichtig, dass die Betroffenen in engem Kontakt mit ihrem Arzt / ihrer Ärztin bleiben. Insbesondere wenn medizinisches Cannabis zusätzlich zu herkömmlichen Migräne-Medikamenten eingesetzt wird, sollte die Therapie sorgfältig überwacht werden.
Derzeit gibt es noch keine allgemeingültige Empfehlung für die Behandlung von Migräne mit Cannabis. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass die inhalative Anwendung im Akutfall wirksam sein könnte, während zur Prävention Cannabis-basierte Medikamente eingesetzt werden könnten. Da Langzeitstudien fehlen, ist eine engmaschige ärztliche Überwachung erforderlich. Nur so lassen sich potenzielle Nebenwirkungen und das Risiko einer Abhängigkeit frühzeitig erkennen.
Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist möglich, wenn medizinisches Cannabis in Form von Extrakten oder Blüten in standardisierter Qualität oder Fertigarzneistoffe mit den Wirkstoffen Nabilon und Dronabinol von einem Arzt / einer Ärztin verordnet wurden. Die Antragstellung umfasst mehrere Schritte und eine mögliche Therapie sollte mit der Ärztin oder dem Arzt abgestimmt werden. Ärztinnen und Ärzte können Dir Cannabis auch als Rezept für Privatzahler ausstellen, das entweder von der privaten Krankenkasse übernommen oder selbst bezahlt wird.
Bei der inhalativen Anwendung tritt die Wirkung von medizinischem Cannabis meist innerhalb weniger Minuten ein. Orale Cannabis-Produkte brauchen länger – oft zwischen 30 und 120 Minuten – und eignen sich daher besser zur Vorbeugung als zur akuten Behandlung.
Erste Studien zeigen, dass die Mehrheit der Patientinnen und Patienten von einer Linderung der Migräne-Symptome berichtet.10 Allerdings gibt es seltene Fälle, in denen keine Verbesserung auftritt oder die Symptome sich sogar verschlimmern.11
Zusätzliche Maßnahmen wie das Vermeiden von Licht und Lärm, das Auflegen kühler Kompressen und ein regelmäßiger Schlafrhythmus können die Behandlung unterstützen. Einige Patientinnen und Patienten kombinieren medizinisches Cannabis mit herkömmlichen Migräne-Medikamenten. Eine Kombination sollte immer in Absprache mit Deiner Ärztin oder Deinem Arzt erfolgen.
Ja, Studien deuten darauf hin, dass medizinisches Cannabis sowohl zur Prävention als auch zur Akutbehandlung eine Alternative sein kann.12, 13 Ob es für Dich eine geeignete Alternative oder Ergänzung ist, besprichst Du am besten mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin.
THC und CBD könnten eine Rolle bei der Behandlung von Migräne spielen. Während die Wirkung von CBD noch nicht vollständig erforscht ist, zeigen erste Studien positive Ansätze. Auch synthetische Cannabinoide wie Nabilon und Dronabinol werden als potenzielle Therapieoptionen in Betracht gezogen.
1. 1DocCheck (o. J.). Migräne. Abgerufen am 07. Oktober 2024, von https://flexikon.doccheck.com/de/Migr%C3%A4ne
2. 2apo.com (o. J.). Migräne: Formen, Ursachen, Symptome und Therapieansätze. Abgerufen am 07. Oktober 2024, von https://www.apo.com/magazin/migraene
3. 3ÄrzteZeitung (o. J.). Triptane hemmen Freisetzung von Entzündungsmediatoren Abgerufen am 07. Oktober 2024, von https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Triptane-hemmen-Freisetzung-von-Entzuendungsmediatoren-322008.html
4. 4, 10, 12Babasola O Okusanya et al. (2022). Medical Cannabis for the Treatment of Migraine in Adults: A Review of the Evidence https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35711271/
5. 5, 11Danielle N Rhyne (2016). Effects of Medical Marijuana on Migraine Headache Frequency in an Adult Population https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26749285/
6. 6Sujan Poudel et al. (2021). Medical Cannabis, Headaches, and Migraines: A Review of the Current Literature https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34589318/
7. 7Ried, K., Tamanna, T., Matthews, S. & Sali, A. (2022). Medicinal Properties of Cannabinoids, Terpenes, and Flavonoids in Cannabis, and Benefits in Migraine, Headache, and Pain: An Update on Current Evidence and Cannabis Science https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30152161/
8. 8, 13Carrie Cuttler et al (2019). Short- and Long-Term Effects of Cannabis on Headache and Migraine. https://www.jpain.org/article/S1526-5900(19)30848-X/fulltext
9. 9Luigi Alberto Pini et al. (2016). Nabilone for the treatment of medication overuse headache: results of a preliminary double-blind, active-controlled, randomized trial https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23070400/