Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom

Wenn Cannabis Übelkeit und Erbrechen auslöst: Das Cannabis Hyperemesis Syndrom (CHS)

Cannabis wird oft wegen seiner beruhigenden Wirkung geschätzt, insbesondere zur Linderung von Schmerzen oder Übelkeit. Was aber, wenn es das Gegenteil bewirkt? Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom (CHS) ist eine ernste Erkrankung, die nach langfristigem, intensivem Cannabis-Gebrauch auftreten kann. Betroffene leiden unter wiederkehrender starker Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen, die oft nur durch ein heißes Bad / eine heiße Dusche oder den Verzicht auf Cannabis gelindert werden können. In diesem Artikel erfährst Du mehr über mögliche Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankung.

Das Wichtigste in Kürze
  • Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom (CHS) verursacht starke Übelkeit und Erbrechen nach mehrjährigem, intensivem Cannabiskonsum.
  • Die Behandlung erfolgt symptomatisch – heiße Bäder lindern oft die Beschwerden.
  • Eine vollständige Heilung ist nur bei völligem Verzicht auf Cannabis möglich.

Symptome des Cannabis-Hyperemesis-Syndrome

Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom (CHS) ist eine Erkrankung des Verdauungstrakts, die nach jahrelangem Cannabis-Gebrauch auftreten kann. „Hyperemesis“ bedeutet starke Übelkeit und Erbrechen. Die Betroffenen leiden unter starkem, wiederholtem Erbrechen, manchmal bis zu 15 Mal am Tag. Begleitet wird dies häufig von: 

  • Bauchschmerzen
  • Schweißausbrüchen 
  • Starkem Durstgefühl

Die Beschwerden treten in Episoden auf, die Stunden bis Tage dauern können. Dazwischen sind die Betroffenen beschwerdefrei.

Wann kann das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom auftreten? 

Eine Übersichtsarbeit1 mit 96 CHS-Patientinnen und -Patienten zeigt folgende Ergebnisse: 

  • Fast 70 % nutzten Cannabis seit über 2 Jahren
  • Fast 60 % verwendeten es täglich
  • 95 % nutzten es mindestens 1x pro Woche.

Alle Patientinnen und Patienten berichteten über Übelkeit und Erbrechen: 

  • 23 % litten unter Durchfall.
  • 70 % hatten mehr als 7 Episoden pro Jahr.

Ursachen für das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom

Die genauen Ursachen des Cannabis-Hyperemesis-Syndroms (CHS) sind noch nicht vollständig geklärt. Oft wird beispielsweise medizinisches Cannabis verwendet, um Übelkeit zu lindern, aber bei CHS scheint es das Gegenteil zu bewirken. Es gibt verschiedene Theorien über die Entstehung der Krankheit, aber keine davon wurde bisher wissenschaftlich bestätigt. 

Wie eine Störung des limbischen Systems das Erbrechen bei CHS beeinflussen könnte

Das limbische System ist ein Bereich des Gehirns, der für Leistungen wie die Steuerung des Antriebs, des Lernens, des Gedächtnisses und der Emotionen verantwortlich ist. Es enthält viele Rezeptoren des Endocannabinoidsystems, auf das Cannabis wirkt. Eine Theorie besagt, dass eine Störung dieses Systems durch häufigen Cannabis-Gebrauch das Brechzentrum im Gehirn beeinflussen und zu häufigem Erbrechen führen kann.

Könnte die Anreicherung von Cannabinoiden in Fettzellen das Syndrom auslösen?

Eine andere Theorie besagt, dass sich Cannabinoide im Körper anreichern, insbesondere in den Fettzellen. Wenn diese Substanzen in großen Mengen freigesetzt werden, z. B. durch Gewichtsverlust, könnte dies zu einer toxischen Dosis führen und das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom auslösen.

Die Rolle des TRPV1-Rezeptors beim Cannabis-Hyperemesis-Syndrom

Der TRPV1-Rezeptor ist für das Wärme- und Schärfeempfinden verantwortlich und beeinflusst die Bewegung des Verdauungstrakts. Cannabinoide können an diesen Rezeptor binden und möglicherweise eine Überaktivierung des Verdauungssystems auslösen, was zu den Symptomen des Cannabis-Hyperemesis-Syndroms führen kann.

Behandlung des Cannabis-Hyperemesis-Syndroms: Möglichkeiten und therapeutische Ansätze

Die Behandlung des Cannabis-Hyperemesis-Syndroms (CHS) konzentriert sich auf die Linderung der Symptome.

Die einzige Möglichkeit, zukünftige Episoden zu verhindern, ist der vollständige Verzicht auf Cannabis. In den meisten Fällen verschwinden die Symptome nach 2 bis 4 Tagen ohne Cannabis vollständig. Dennoch sollte der Konsum nicht schlagartig abgebrochen werden, da Entzugserscheinungen auftreten können.2
Nach dem Absetzen führt ein erneuter Konsum jedoch fast immer zu einem Rückfall.

Während einer akuten Episode helfen Flüssigkeitszufuhr und Medikamente gegen Übelkeit. Viele Betroffene berichten auch, dass heißes Baden oder Duschen mehrmals täglich Linderung verschafft – je heißer das Wasser, desto besser die Wirkung. 

Auch das Auftragen von Capsaicin, einem Wirkstoff aus Chilischoten, auf die Haut kann die Beschwerden lindern, da diese Substanz an den TRPV1-Rezeptor bindet.2,3

Tritt das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom auch bei medizinischem Cannabis auf?

Auch wenn das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom (CHS) vor allem bei Freizeitanwender:innen auftritt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch Anwender:innen von medizinischem Cannabis betroffen sind. 

Wer plötzlich unter starker Übelkeit und Erbrechen leidet, sollte umgehend einen Arzt oder eine Ärztin aufsuchen. Die Diagnose wird gestellt, indem andere Ursachen ausgeschlossen werden.

Wenn bei Dir CHS diagnostiziert wurde, sprich mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin über alternative Behandlungsmöglichkeiten – nur durch den vollständigen Verzicht auf Cannabis kannst Du weitere Episoden vermeiden.

Zusammenfassung

Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom (CHS) ist eine seltene, aber schwerwiegende Folge von langjährigem Cannabis-Gebrauch. Die Betroffenen leiden unter wiederkehrender Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Heiße Bäder und Duschen sind oft die einzige wirksame Maßnahme, um die Symptome zu lindern. Die genaue Ursache ist noch unklar, Theorien gehen aber von einer Störung des Endocannabinoid-Systems oder einer Anreicherung von Cannabinoiden im Körper aus. Eine vollständige Heilung ist nur durch den Verzicht auf Cannabis möglich.

Häufige Fragen

Ja, das häufige Erbrechen kann zu einem starken Flüssigkeitsverlust führen, der manchmal eine Infusion im Krankenhaus erforderlich macht. Außerdem können Speiseröhre und Zähne durch das Erbrechen geschädigt werden.

Die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung der Symptome. Medikamente gegen Übelkeit und heiße Bäder oder Duschen können beispielsweise helfen, die Beschwerden zu lindern. Eine vollständige Heilung kann jedoch nur durch den Verzicht auf Cannabis erreicht werden.

Ja, häufiger Gebrauch von Cannabis (mehr als einmal pro Woche), Alter unter 50 Jahren und männliches Geschlecht gelten als Risikofaktoren für die Entwicklung des Cannabis-Hyperemesis-Syndroms.

Es ist eine Ausschlussdiagnose. Das heißt, der Arzt oder die Ärztin stellt die Diagnose anhand der Symptome, nachdem andere Erkrankungen ausgeschlossen wurden. Um die Diagnosestellung zu erleichtern, solltest Du offen und ehrlich über Deinen Cannabis-Gebrauch berichten.

Quellenangaben

  1. Keller, K., Beule, J., Scholz, M., Pfnür, M., & Dippold, W. (2012). Zyklisches Erbrechenssyndrom (CVS) beim Erwachsenen - eine häufig übersehene Erkrankung? Zeitschrift für Gastroenterologie, 50(07), 694–698. https://doi.org/10.1055/s-0031-1299502
  2. Allen, J. H., de Moore, G. M., Heddle, R., & Twartz, J. C. (2004). Cannabinoid hyperemesis: cyclical hyperemesis in association with chronic cannabis abuse. Gut, 53(11), 1566–1570. https://doi.org/10.1136/gut.2003.036350
  3. Sorensen, C. J., DeSanto, K., Borgelt, L., Phillips, K. T., & Monte, A. A. (2016). Cannabinoid hyperemesis syndrome: Diagnosis, pathophysiology, and treatment-a systematic review. Journal of Medical Toxicology: Official Journal of the American College of Medical Toxicology, 13(1), 71–87. https://doi.org/10.1007/s13181-016-0595-z
  4. Camcejo, M., Hillman, E., & Isom, H. (2022). Cannabinoid Hyperemesis Syndrome: Lighting up an emergency department near you. Missouri Medicine, 119(3), 266–270.
  5. 1Simonetto, D. A., Oxentenko, A. S., Herman, M. L., & Szostek, J. H. (2012). Cannabinoid hyperemesis: a case series of 98 patients. Mayo Clinic Proceedings. Mayo Clinic, 87(2), 114–119. https://doi.org/10.1016/j.mayocp.2011.10.005
  6. 2Rubio-Tapia, A., McCallum, R., & Camilleri, M. (2024). AGA clinical practice update on diagnosis and management of cannabinoid hyperemesis syndrome: Commentary. Gastroenterology, 166(5), 930-934.e1. https://doi.org/10.1053/j.gastro.2024.01.040