Medizinisches Cannabis: Mögliche Nebenwirkungen im Überblick

Ein Leitfaden zu möglichen kurzfristigen und langfristigen Nebenwirkungen

Wie bei vielen Medikamenten können auch bei medizinischem Cannabis Nebenwirkungen auftreten, insbesondere durch den Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol). Dieser Ratgeber hilft Dir, die wichtigsten Nebenwirkungen zu verstehen, mögliche Ursachen zu erkennen und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen. Wir informieren Dich auch über das Suchtpotenzial und den Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit.

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Letzte Änderung:

9.1.2025

Das Wichtigste in Kürze
  • THC kann akute und langfristige Nebenwirkungen hervorrufen.
  • Suchtpotenzial besteht vor allem bei übermäßiger und unkontrollierter Anwendung.
  • Eine kontrollierte Cannabis-Anwendung kann helfen, Risiken und Nebenwirkungen zu verringern.

THC und CBD: Wirkweise im Körper

Medizinisches Cannabis enthält zwei Hauptwirkstoffe2:

  • THC (Tetrahydrocannabinol): Wirkt psychoaktiv und bindet an die CB1-Rezeptoren im Gehirn und im Rückenmark.
  • CBD (Cannabidiol): Hat beruhigende Eigenschaften und wirkt hauptsächlich über CB2-Rezeptoren des Immunsystems.

Mögliche Nebenwirkungen nach der Anwendung von THC

Die Nebenwirkungen von medizinischem Cannabis kann man, wie auch die Nebenwirkungen eines jeden Medikaments, in akute (sofort auftretende) und langfristige Nebenwirkungen einteilen. In den folgenden Stichpunkten findest Du die wichtigsten sofort eintretenden Nebenwirkungen:

Psychische Effekte: Angstzustände, Paranoia, psychotische Zustände (besonders bei hohen Dosen oder Vorerkrankungen).

Körperliche Symptome: Schwindel, Übelkeit, Herzrasen, gerötete Augen.

Akute Nebenwirkungen

Diese Nebenwirkungen können unmittelbar nach der Einnahme auftreten:

Einschränkungen des Gedächtnisses und der Koordination1,3

  • Verminderte Aufmerksamkeit und Reaktionszeit
  • Gedächtnisstörungen
  • Eingeschränkte Koordination

Psychische Effekte (insbesondere bei hohen Dosierungen und / oder psychischen Vorerekrankungen)1,3

  • Angstzustände 
  • Paranoia
  • Psychotische Zustände (besonders bei hoher Dosierung oder Vorerkrankungen).

Körperliche Symptome (zählen zu den häufigen Nebenwirkungen und treten öfter bei Personen auf, die noch nicht viel / oft Cannabis angewendet haben)1,3

  • Schwindel
  • Übelkeit
  • Herzrasen
  • Gerötete Augen

Langfristige Nebenwirkungen

Die Langzeitnebenwirkungen stützen sich vor allem auf Studien zum Freizeitkonsum von Cannabis, der unkontrolliert und in höheren Dosen erfolgt. Bei medizinischem Cannabis unter ärztlicher Aufsicht treten sie seltener auf.5 Wir informieren Dich dennoch, um Deinen Gebrauch so sicher wie möglich zu machen.

Psychische Nebenwirkungen3

Erhöhtes Risiko vor allem zu Beginn der Nutzung sowie bei intensiver Nutzung in der Jugend:

  • Angststörungen
  • Depressionen 
  • Psychosen

Kognitive Einschränkungen3

  • Gedächtnisstörungen
  • Reduzierte Aufmerksamkeit
  • Beeinträchtigte Entscheidungsfähigkeit

Diese Effekte können auch nach dem „Absetzen“ von Cannabis, d. h. nach Beendigung des Konsums, anhalten.

Körperliche Folgen3

  • Atemwegserkrankungen
  • Herz-Kreislauf-Probleme
  • Erhöhtes Abhängigkeitsrisiko bei langfristiger und regelmäßiger Anwendung4

Seltene Nebenwirkung: Cannabis-Hyperemesis-Syndrom7

Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom ist eine seltene Nebenwirkung, die gekennzeichnet ist durch 

  • starke Übelkeit
  • Erbrechen 
  • Bauchschmerzen

Es tritt meist bei längerem Gebrauch hoher Dosen auf. Heißes Duschen kann Linderung verschaffen7, sollte aber bei kontrollierter Wassertemperatur erfolgen. Die einzige dauerhafte Lösung ist der Verzicht auf Cannabis.

Sonderfall: Gewünschte Nebenwirkungen12

Unter bestimmten Umständen können die Nebenwirkungen von medizinischem Cannabis, wie z. B. eine Appetitsteigerung, auch von Vorteil sein. 

Bei „auszehrenden Krankheiten“, d. h. Krankheiten, die mit einem starken ungewollten Gewichtsverlust einhergehen (Krebserkrankungen, HIV / AIDS etc.), kann die appetitsteigernde Wirkung von Cannabis zu Gunsten des Patienten / der Patientin genutzt werden, da der gesteigerte Appetit zu einer Gewichtszunahme beitragen kann.

Personen mit erhöhtem Risiko: Wann Cannabis nicht angewendet werden sollte

Einige Personen sollten von der Anwendung von (medizinischem) Cannabis grundsätzlich absehen:

Kinder und Jugendliche16

Cannabis kann die psychische Entwicklung negativ beeinflussen und bleibende Gedächtnis-Einschränkungen verursachen.

Personen mit psychischen Erkrankungen2

Cannabis kann psychische Erkrankungen verstärken oder sogar auslösen. Eine ärztliche Überwachung ist unbedingt erforderlich.

Schwangere und stillende Personen15

Während der Schwangerschaft kann THC aus dem Blut der Mutter über die Plazenta zum ungeborenen Kind gelangen und dessen Gehirnentwicklung beeinträchtigen. Außerdem kann der Gebrauch von Cannabis während der Schwangerschaft zu Frühgeburten und niedrigem Geburtsgewicht führen. 

THC kann auch in die Muttermilchübergehen und die Gehirnentwicklung des Kindes beeinträchtigen.

Empfohlene Dosierung und Anwendung von THC

Unerwünschte Nebenwirkungen sind häufig auf den THC-Gehalt zurückzuführen. Deshalb sollte die tägliche THC-Dosis 30 mg nicht überschreiten. Außerdem wird empfohlen, ein Cannabis-Produkt mit hohem CBD-Gehalt zu wählen.

Das Motto lautet: „Start low, go slow, stay low“ („Niedrig anfangen, langsam steigern, niedrig bleiben“).11

Medizinisches Cannabis und Fahrtüchtigkeit

Studien zeigen, dass Cannabis die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen verdoppeln kann.8 In Deutschland gelten derzeit folgende Regelungen für die nicht medizinische Verwendung von Cannabis (Stand: November 2024)9:

  • Der THC-Grenzwert im Straßenverkehr liegt bei 3,5 ng / ml Blutserum
  • Cannabis-Verbot für Fahranfänger und junge Fahrer unter 21 Jahren
  • Alkoholverbot für Cannabis-Anwender

Für medizinisches Cannabis gibt es kein generelles Fahrverbot, doch eine Teilnahme am Straßenverkehr sollte erst nach der „Eindosierung“ empfohlen werden, wenn die optimale Dosis gefunden wurde. Der behandelnde Arzt / die behandelnde Ärztin sollte auf die möglichen Risiken und Gefahren der Teilnahme am Straßenverkehr hinweisen.

Anwendungsformen von medizinischem Cannabis und ihre möglichen Nebenwirkungen

Die Nebenwirkungen von medizinischem Cannabis sind je nach Anwendungsform unterschiedlich. Dieser Faktor spielt eine wichtige Rolle bei der Wahl der geeigneten Methode.

Inhalation 

Beim Rauchen oder Verdampfen wird THC schnell in den Blutkreislauf aufgenommen, was zu unmittelbaren Nebenwirkungen wie Schwindel, Herzrasen und Angstreaktionen führen kann. Langfristig können Atemprobleme wie Husten und Bronchitis auftreten.1,3,12,13

Orale Anwendung

Bei der Aufnahme von Cannabis über den Verdauungstrakt (z. B. in Form von Nahrungsmitteln oder Kapseln) tritt die Wirkung langsamer ein, hält aber länger an. Häufige Nebenwirkungen sind Übelkeit, Erbrechen und Verdauungsstörungen. Außerdem ist die Dosierung schwer zu kontrollieren, was das Risiko von Verwirrtheit und Benommenheit erhöht.3,14

Oromukosale Anwendung

Cannabis-Produkte, die über die Mundschleimhaut aufgenommen werden (z. B. Sprays), wirken schneller als orale Produkte, ohne die Atemwegsprobleme, die bei der Inhalation auftreten. Häufige Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit und Schläfrigkeit.14

Transdermale Pflaster

Ein transdermales Pflaster ist ein spezielles Pflaster zur Verabreichung von Wirkstoffen. In diesem Fall werden die Cannabis-Wirkstoffe langsam und gleichmäßig über die Haut abgegeben und verringern so das Risiko von Nebenwirkungen. Hautreizungen und gelegentlich Müdigkeit oder Kopfschmerzen können jedoch auftreten.13

Abhängigkeit von Cannabis vermeiden

Bis zu 1 % der Anwender von Cannabis sind abhängig.2 Es ist wichtig, auf einen kontrollierten und verantwortungsvollen Gebrauch zu achten, um der Entwicklung einer Abhängigkeit oder eines Missbrauchs vorzubeugen. Die Mehrheit der Nutzer entwickelt jedoch keine Abhängigkeit.6

Zusammenfassung

THC kann unmittelbar nach der Einnahme das Gedächtnis und die Koordination beeinträchtigen sowie Angstreaktionen, Herzrasen und Schwindel auslösen. Bei Langzeitkonsum können Gedächtnisstörungen und ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen auftreten. Die Art der Einnahme beeinflusst die Nebenwirkungen: Inhalation führt schneller zu Schwindel und Herzrasen, während die orale Einnahme langsamer und milder wirkt, jedoch mit Verdauungsstörungen einhergehen kann. Wichtig: Die Teilnahme am Straßenverkehr während einer medizinischen Therapie mit Cannabis sollte nur nach individueller Dosisfindung und in Absprache mit dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin in Erwägung gezogen werden.

Häufige Fragen

Die häufigsten Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit,

Mundtrockenheit, Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisstörungen und Gleichgewichtsstörungen.1

Vor allem bei natürlichen Cannabis-Produkten kann es zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen. Natürliche Cannabis-Präparate enthalten sehr viele verschiedene Wirkstoffe. Daher können viele verschiedene Wechselwirkungen auftreten. Mögliche Wechselwirkungen sollten mit dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin besprochen werden.1

Ältere Patienten und Patientinnen sollten vor allem auf Orientierungsstörungen und Schwindel achten. Diese Nebenwirkungen erhöhen das Sturzrisiko. Außerdem sollten mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten mit dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin besprochen werden.

Patienten und Patientinnen, die medizinisches Cannabis verwenden, dürfen nur dann Auto fahren, wenn keine Nebenwirkungen auftreten, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen.

Am besten ist es, die Dosis zu kontrollieren. Als Faustregel gilt: Mit einer niedrigen Dosis beginnen, die Dosis langsam steigern und bei einer niedrigen Dosis bleiben. Der behandelnde Arzt / die behandelnde Ärztin wird eine für Dich und Deine individuelle Situation geeignete Dosierung empfehlen.

Ja, wie bei vielen anderen Substanzen besteht auch bei Cannabis die Gefahr einer körperlichen und psychischen Abhängigkeit. Vor allem bei längerem und regelmäßigem Gebrauch kann sich eine Gewöhnung entwickeln. Es ist wichtig, den Gebrauch verantwortungsvoll und in Absprache mit einem Arzt / einer Ärztin zu handhaben, um das Risiko einer Abhängigkeit zu minimieren.

Quellenangaben

  1. https://www.bfarm.de/DE/Bundesopiumstelle/Medizinisches-Cannabis/Begleiterhebung/_node.html 
  2. https://next.amboss.com/de/article/_r05Ph?q=thc
  3. Solmi M, De Toffol M, Kim J Y, Choi M J, Stubbs B , Thompson T et al. Balancing risks and benefits of cannabis use: umbrella review of meta-analyses of randomised controlled trials and observational studies BMJ 2023; 382 :e072348 doi:10.1136/bmj-2022-072348
  4. Batra, Anil; Bilke-Hentsch, Oliver: Praxisbuch Sucht 2016; DOI: 10.1055/b-004-129735
  5. Hoch, E., Friemel, C., Schneider, M. et al. Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabisarzneimitteln: Ergebnisse der CaPRis-Studie. Bundesgesundheitsbl 62, 825–829 (2019). https://doi.org/10.1007/s00103-019-02965-3
  6. Voderholzer: Therapie psychischer Erkrankungen - State of the art. Urban & Fischer 2023, ISBN: 978-3-437-21037-2. 
  7. Razban, M., Exadaktylos, A.K., Santa, V.D. et al. Cannabinoid hyperemesis syndrome and cannabis withdrawal syndrome: a review of the management of cannabis-related syndrome in the emergency department. Int J Emerg Med 15, 45 (2022). https://doi.org/10.1186/s12245-022-00446-0
  8. Asbridge M, Hayden J A, Cartwright J L. Acute cannabis consumption and motor vehicle collision risk: systematic review of observational studies and meta-analysis BMJ 2012; 344 :e536 doi:10.1136/bmj.e536
  9. https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/sechstes-gesetz-zur-aenderung-des-strassenverkehrsgesetzes-verkuendet.html
  10. Breijyeh, Z., Jubeh, B., Bufo, S. A., Karaman, R., & Scrano, L. (2021). Cannabis: A Toxin-Producing Plant with Potential Therapeutic Uses. Toxins, 13(2), 117. https://doi.org/10.3390/toxins13020117
  11. MacCallum C.A., Russo E.B. Practical considerations in medical cannabis administration and dosing. Eur. J. Intern. Med. 2018;49:12–19. doi: 10.1016/j.ejim.2018.01.004
  12. Pratt, M., Stevens, A., Thuku, M. et al. Benefits and harms of medical cannabis: a scoping review of systematic reviews. Syst Rev 8, 320 (2019). https://doi.org/10.1186/s13643-019-1243-x
  13. Vinette, B., Côté, J., El-Akhras, A. et al. Routes of administration, reasons for use, and approved indications of medical cannabis in oncology: a scoping review. BMC Cancer 22, 319 (2022). https://doi.org/10.1186/s12885-022-09378-7
  14. O’Brien, K., Blair, P. (2021). Routes of Administration, Pharmacokinetics and Safety of Medicinal Cannabis. In: Medicinal Cannabis and CBD in Mental Healthcare. Springer, Cham. https://doi.org/10.1007/978-3-030-78559-8_11
  15. NIDA. 2024, September 24. Cannabis. Retrieved from https://nida.nih.gov/research-topics/cannabis on 2024, October 19
  16. Sadhana Dharmapuri, Kathleen Miller, Jonathan D. Klein; Marijuana and the Pediatric Population. Pediatrics August 2020; 146 (2): e20192629. 10.1542/peds.2019-2629