Medizinisches Cannabis bei Parkinson

Chancen einer Cannabis-Therapie bei Morbus Parkinson

Die Krankheit Morbus Parkinson ist zwar gut erforscht, aber nicht heilbar. Daher beschränken sich Therapiemaßnahmen auf die Linderung der Symptome der betroffenen Personen. Nach aktuellem Forschungsstand kann eine Therapie mit medizinischem Cannabis bei Parkinson nicht uneingeschränkt empfohlen werden.1 Besonders das in Cannabis enthaltene Cannabidiol (CBD) könnte jedoch therapeutisches Potenzial haben.

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Letzte Änderung:

14.10.2024

Das Wichtigste in Kürze
  • Bei einigen Parkinson-Symptomen könnte medizinisches Cannabis nach aktueller Studienlage zu einer Verbesserung beitragen.
  • Das in Cannabis enthaltene THC kann jedoch auch Symptome verschlechtern oder andere unerwünschte Nebenwirkungen auslösen.
  • Die begleitende Behandlung der Krankheit Morbus Parkinson mit medizinischem Cannabis sollte immer in enger ärztlicher Absprache erfolgen.

Was ist Morbus Parkinson und welche Symptome treten auf?

Morbus Parkinson zählt zu den neurodegenerativen Erkrankungen, die durch den fortschreitenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet sind. Bei Morbus Parkinson ist insbesondere ein Hirnareal betroffen, das eine wichtige Rolle bei der Kontrolle von Bewegungen spielt. 

Wer an Morbus Parkinson erkrankt, kann an verschiedenen motorischen (den Bewegungsablauf betreffend) und nicht motorischen Symptomen leiden:

  • Tremor: Das bekannteste Parkinson-Symptom ist der Tremor, ein unwillkürliches Zittern, das besonders an Händen und Armen auftritt.
  • Rigor: Als Rigor wird eine Muskelsteifheit bezeichnet, die Bewegungen erschwert und zu Muskelkrämpfen führen kann.
  • Bradykinese: Die Bradykinese zeigt sich in der Verlangsamung von Bewegungen, was die Koordination beeinträchtigen kann.
  • Posturale Instabilität: Hierbei handelt es sich um Gleichgewichtsstörungen, die zu Stürzen führen können.
  • Vegetative Symptome: Es können Blutdruckschwankungen, Probleme mit der Verdauung oder vermehrtes Schwitzen auftreten.
  • Psychische Symptome: Morbus Parkinson kann von Angstzuständen, kognitiven Beeinträchtigungen und sogar Depressionen begleitet sein.
  • Schlafstörungen: Einschlafprobleme, ein gestörter Nachtschlaf oder auch übermäßige Tagesschläfrigkeit sind bei Morbus Parkinson nicht ungewöhnlich.
  • Geruchsstörungen: Manche Patientinnen und Patienten mit Parkinson-Diagnose klagen über einen weniger sensiblen Geruchssinn.

Die aktuelle Forschungslage: Kann medizinisches Cannabis bei Morbus Parkinson helfen?

Die Erforschung des Potenzials von medizinischem Cannabis zur Behandlung bestimmter Symptome der Parkinson-Krankheit hat bereits erste wissenschaftliche Erkenntnisse erbracht. Im Mittelpunkt steht dabei die Untersuchung des Einflusses der in Cannabis enthaltenen Cannabinoide, insbesondere THC und CBD, auf das menschliche Nervensystem. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um die genaue Wirkung und Sicherheit der Anwendung von medizinischem Cannabis bei Parkinson-Patienten besser zu verstehen.

Die mögliche Wirkung von THC bei Parkinson-Symptomen

THC könnte den Tremor, die Muskelsteifheit und Bewegungsstörungen reduzieren, indem es auf das Endocannabinoid-System des Gehirns wirkt, das bei der Regulierung von Bewegung eine Rolle spielt. 

Eine breit angelegte Studie mit 339 Parkinson-Patientinnen und -Patienten konnte weitere Hinweise für diese Annahme beisteuern und dokumentierte nur vereinzelte Nebenwirkungen, wie z. B. leichte Angstzustände oder einen schnelleren Herzschlag.2 

Auch bei Schlafstörungen wurde THC in der Vergangenheit bereits eingesetzt, wobei der Effekt isoliert von einer Parkinson-Erkrankung untersucht wurde.3 Die Therapierung spezifischer Schlafstörungen, die durch Parkinson begünstigt werden, bedürfen weiterer Forschung.

Die Ergebnisse einer Meta-Analyse weisen zudem darauf hin, dass die Verabreichung von Nabilon, einer synthetischen THC-Alternative, die Nebenwirkungen des Parkinson-Medikamentes Levodopa (L-Dopa) verbessern könnte. Die Forschenden haben aber auch betont, dass weiterer Forschungsbedarf bestehe und noch keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden könne.4

Die Rolle von CBD bei der Parkinson-Therapie

Die potenziell zellschützende Wirkung von CBD im Gehirn ist Bestandteil aktueller Forschung.5 CBD könnte entzündliche Prozesse im Gehirn (Neuroinflammation) verringern, die einen Risikofaktor bei neurodegenerativen Krankheiten darstellen.

Eine Studie untersuchte die Verabreichung von CBD in unterschiedlichen Dosen bei Parkinson-Patientinnen und -Patienten. Dabei wurde festgestellt, dass die Gabe von CBD bei den 21 Probandinnen und Probanden zwar nicht zu einer Verbesserung der körperlichen Symptome, jedoch zu einer subjektiv empfundenen Verbesserung der Lebensqualität führte.6

In den bereits genannten Studien wurde auch die Theorie aufgestellt, dass CBD als natürlicher Regulator von THC dienen und im Zusammenspiel mit THC mögliche unerwünschte Nebenwirkungen reduzieren könnte. Diese These muss weiter untersucht werden.

Mögliche Nebenwirkungen von medizinischem Cannabis

Zu beachten ist, dass insbesondere THC Nebenwirkungen haben kann, die für Parkinson-Patientinnen und -Patienten kritisch sind. Dazu gehört neben der Beeinflussung des Herzrhythmus durch THC auch eine mögliche Verschlechterung des psychischen Zustandes bis hin zu Depressionen.7

In den genannten Studien wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen von CBD im Zusammenhang mit der Parkinson-Krankheit dokumentiert. Zu den dokumentierten Nebenwirkungen zählen eine leichte Müdigkeit und moderate Verdauungsprobleme.

Risiken müssen ärztlich abgewogen werden

Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen mit neurodegenerativen Erkrankungen (Vorgänge, die den Verfall des Nervensystems betreffen) und ältere Menschen unter starken Nebenwirkungen von Cannabis leiden könnten. Diese können die neurodegenerativen Prozesse verstärken oder auf andere Weise toxisch wirken.8 Daher sollten Risiken immer ärztlich abgewogen und die Auswirkungen genau überwacht werden.9

Zusammenfassung

Obwohl die Forschung Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei der Linderung von Parkinson-Symptomen gefunden hat, reichen die Erkenntnisse derzeit nicht aus, um eine generelle Therapieempfehlung auszusprechen. Die Wirkung von THC und CBD, sowohl einzeln als auch in Kombination, bedarf weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen. In Fällen, in denen andere Parkinson-Therapien nicht die gewünschte Symptomlinderung gebracht haben, kann in Absprache mit dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin eine Therapie mit medizinischem Cannabis mit niedriger Einstiegsdosis erwogen werden.

Häufige Fragen

Einige Studien deuten darauf hin, dass medizinisches Cannabis bei Parkinson-Patienten und -Patientinnen zur Linderung von Symptomen wie Schmerzen, Schlafstörungen und unwillkürlichen Bewegungen (Tremor) beitragen könnte. Einige berichten auch von einer Verbesserung ihrer Lebensqualität. Es ist jedoch wichtig, dass diese Beobachtungen individuell unterschiedlich ausfallen können.

Die Dauer bis zum Wirkeintritt von medizinischem Cannabis hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Art des Präparats und der Dosierung. Die Wirkung tritt bei inhalativer oder oraler Einnahme in der Regel am schnellsten ein. Die genauen Zeitrahmen variieren jedoch individuell.

Die Festlegung der Dosierung und Darreichungsform von medizinischem Cannabis erfolgt individuell und unter ärztlicher Aufsicht. Insbesondere bei älteren Patienten und Patientinnen wird in der Regel mit einer niedrigen Dosierung begonnen. Die isolierte Anwendung von THC und CBD in diesem Zusammenhang wird derzeit in Studien untersucht.

Erste Hinweise deuten darauf hin, dass Cannabis möglicherweise Bewegungsstörungen lindern könnte, die durch die Einnahme von L-Dopa, einem häufig verwendeten Parkinson-Medikament, ausgelöst werden.10 Die Erforschung möglicher Wechselwirkungen zwischen Cannabinoiden und anderen Parkinson-Medikamenten ist ein wichtiges Forschungsgebiet für die Zukunft.

Langzeitstudien über medizinisches Cannabis bei Parkinson-Patienten und -Patientinnen liegen noch nicht vor. Es gibt Hinweise darauf, dass bei längerem Gebrauch eine erhöhte Toleranz gegenüber Cannabinoiden auftreten könnte. Hinsichtlich des Abhängigkeitsrisikos sind weitere wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich.

Quellenangaben

1. 1Figura, M., Koziorowski, D. & Sławek, J. (2022). Cannabis in Parkinson’s Disease — the patient’s perspective versus clinical trials: a systematic literature review. Neurologia I Neurochirurgia Polska, 56(1), 21–27. https://doi.org/10.5603/pjnns.a2022.0004

2. 2Babayeva, M., Assefa, H., Basu, P., Chumki, S. & Loewy, Z. G. (2016). Marijuana Compounds: A Nonconventional Approach to Parkinson’s Disease Therapy. Parkinson S Disease, 2016, 1–19. https://doi.org/10.1155/2016/1279042

3. 3Ried, K., Tamanna, T., Matthews, S. & Sali, A. (2022). Medicinal cannabis improves sleep in adults with insomnia: a randomised double‐blind placebo‐controlled crossover study. Journal Of Sleep Research, 32(3). https://doi.org/10.1111/jsr.13793

4. 4, 10Urbi, B., Corbett, J., Hughes, I., Owusu, M. A., Thorning, S., Broadley, S. A., Sabet, A. & Heshmat, S. (2022). Effects of Cannabis in Parkinson’s Disease: A Systematic Review and Meta-Analysis. Journal Of Parkinson S Disease, 12(2), 495–508. https://doi.org/10.3233/jpd-212923

5. 5Yousaf, M., Chang, D., Liu, Y., Liu, T. & Zhou, X. (2022). Neuroprotection of Cannabidiol, Its Synthetic Derivatives and Combination Preparations against Microglia-Mediated Neuroinflammation in Neurological Disorders. Molecules, 27(15), 4961. https://doi.org/10.3390/molecules27154961 

6. 6Chagas, M. H. N., Zuardi, A. W., Tumas, V., Pena-Pereira, M. A., Sobreira, E. T., Bergamaschi, M. M., Santos, A. C. D., Teixeira, A. L., Hallak, J. E. & Crippa, J. A. S. (2014). Effects of cannabidiol in the treatment of patients with Parkinson’s disease: An exploratory double-blind trial. Journal Of Psychopharmacology, 28(11), 1088–1098. https://doi.org/10.1177/0269881114550355

7. 7Patel, R. S., Kamil, S., Shah, M. R., Bhimanadham, N. N. & Imran, S. (2019). Pros and Cons of Marijuana in Treatment of Parkinson’s Disease. Cureus. https://doi.org/10.7759/cureus.4813

8. 8Cooray, R., Gupta, V. & Suphioglu, C. (2020). Current Aspects of the Endocannabinoid System and Targeted THC and CBD Phytocannabinoids as Potential Therapeutics for Parkinson’s and Alzheimer’s Diseases: a Review. Molecular Neurobiology, 57(11), 4878–4890. https://doi.org/10.1007/s12035-020-02054-6

9. 9Costa, A. C., Joaquim, H. P. G., Pedrazzi, J. F. C., De O Pain, A., Duque, G. & Aprahamian, I. (2022). Cannabinoids in Late Life Parkinson’s Disease and Dementia: Biological Pathways and Clinical Challenges. Brain Sciences, 12(12), 1596. https://doi.org/10.3390/brainsci12121596 

10. Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (o. J.). Morbus Parkinson: Hoffnung auf neue Therapien. Abgerufen am 02. August 2024, von https://parkinson-gesellschaft.de/fuer-betroffene/die-parkinson-krankheit