Welche Risiken kann die Anwendung von medizinischem Cannabis bergen? Immer wieder wird diskutiert, ob der Gebrauch von Cannabis, insbesondere in hohen Dosen oder über einen längeren Zeitraum, das Risiko für psychische Erkrankungen wie Psychosen erhöhen kann. Vor allem Tetrahydrocannabinol (THC) kann psychotische Symptome begünstigen und sollte daher bei gefährdeten Personen mit Vorsicht verwendet werden. Was die aktuelle Forschung dazu sagt und welche Rolle genetische und individuelle Faktoren dabei spielen, erfährst Du in diesem Artikel.
Psychosen sind Zustände, bei denen Betroffene Schwierigkeiten haben, zwischen Realität und Fantasie zu unterscheiden. Typische Symptome sind:
Häufigste Ursachen für Psychosen:
Kann Cannabis Psychosen auslösen? Studien weisen darauf hin, dass die Anwendung von Cannabis – insbesondere von Sorten mit hohem THC-Gehalt – das Risiko für Psychosen erhöhen kann.1 THC begünstigt laut Studien zum Nutzungsverhalten die Entstehung von Psychosen.2
Dieses Risiko besteht unabhängig von der Dauer des psychoaktiven Zustandes und kann auch noch Jahre nach regelmäßiger Anwendung auftreten.
Verschiedene wissenschaftliche Studien haben den Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychosen sowie die entscheidenden Einflussfaktoren näher untersucht.
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2016 zeigt, dass intensiver Cannabis-Gebrauch das Risiko für Psychosen um fast das Vierfache erhöht.3
Die tägliche Anwendung von Cannabis kann das Risiko sogar um das Fünffache steigern.4
Je höher die Dosis und je häufiger die Anwendung, desto größer das Risiko für Psychosen:
Darüber hinaus wurde in einer anderen Studie ein dosisabhängiger Zusammenhang festgestellt. Ein intensiver Gebrauch ist demnach mit einem erhöhten Psychoserisiko verbunden.6
Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass bestimmte Varianten des COMT-Gens (ein Gen, das Botenstoffe im Gehirn abbaut, die mit Stress und Emotionen zusammenhängen) bei Cannabis-Anwender:innen das Risiko für psychotische Störungen erhöhen.7
In einer weiteren Studie fanden Forschende heraus, dass bei Menschen mit einer bestimmten genetischen Veranlagung der Cannabis-Gebrauch das Risiko für Psychosen erhöhen kann.8
Vor der Verschreibung von medizinischem Cannabis muss das Psychoserisiko unbedingt von medizinischem Fachpersonal geprüft werden. Vorsicht ist insbesondere bei folgenden Faktoren geboten:
Der Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychosen erfordert besondere Aufmerksamkeit. Der Gebrauch von THC-haltigem Cannabis – auch im medizinischen Kontext – kann das Risiko für psychotische Symptome erheblich steigern, insbesondere bei Personen mit einer genetischen Veranlagung oder einer psychotischen Vorgeschichte. Eine Therapie mit medizinischem Cannabis sollte daher nur in streng kontrollierten Einzelfällen und unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Akute psychotische Symptome, die mit Cannabis-Gebrauch in Verbindung stehen, treten laut einer Studie12 bei etwa 1 von 200 Personen auf, die im Laufe ihres Lebens Cannabis konsumieren. Besonders gefährdet sind junge Menschen oder Personen mit bestehenden psychischen Erkrankungen, da sie empfindlicher auf die negativen psychischen Effekte von Cannabis reagieren können.
Typische Symptome einer Cannabis-Psychose umfassen:
Bestimmte Gruppen haben ein höheres Risiko, eine Cannabis-Psychose zu entwickeln:
Cannabisinduzierte Psychosen gehören zu den drogen- oder medikamentenassoziierten Psychosen und sind häufig von kurzer Dauer. Die Symptome verschwinden in der Regel, wenn der Cannabis-Gebrauch beendet wird. Die genaue Dauer kann jedoch von individuellen Faktoren wie der Menge und der Krankengeschichte abhängen.
Ja, in einigen Fällen kann eine Cannabis-Psychose chronisch werden. Personen mit einer genetischen Veranlagung für Psychosen oder einer Vorgeschichte psychischer Erkrankungen haben ein höheres Risiko. Häufiger oder intensiver Cannabis-Gebrauch kann dazu beitragen, dass aus einer akuten psychotischen Episode eine dauerhafte Psychose wird.
Die wichtigste Maßnahme ist die sofortige Beendigung des Cannabis-Gebrauchs. In schweren Fällen kann eine medikamentöse Behandlung mit Antipsychotika oder Benzodiazepinen erforderlich sein. Die Therapie sollte immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, um eine individuelle und sichere Behandlung zu gewährleisten.
1. 1 Hall, W. & Degenhardt, L. (2008). Cannabis use and the risk of developing a psychotic disorder. World Psychiatry, 7(2), 68–71. https://doi.org/10.1002/j.2051-5545.2008.tb00158.x
2. 2, 4 Di Forti, M., Quattrone, D., Freeman, T. P., Tripoli, G., Gayer-Anderson, C., Quigley, H., Rodriguez, V., Jongsma, H. E., Ferraro, L., La Cascia, C., La Barbera, D., Tarricone, I., Berardi, D., Szöke, A., Arango, C., Tortelli, A., Velthorst, E., Bernardo, M., Del-Ben, C. M., . . . Van der Ven, E. (2019). The contribution of cannabis use to variation in the incidence of psychotic disorder across Europe (EU-GEI): a multicentre case-control study. The Lancet Psychiatry, 6(5), 427–436. https://doi.org/10.1016/s2215-0366(19)30048-3
3. 3, 6 Volz, H. (2016). Cannabis und Psychose — ein kausaler Zusammenhang? DNP - Der Neurologe Und Psychiater, 17(12), 19. https://doi.org/10.1007/s15202-016-1525-2
4.5 Kuepper, R., Van Os, J., Lieb, R., Wittchen, H., Hofler, M., & Henquet, C. (2011). Continued cannabis use and risk of incidence and persistence of psychotic symptoms: 10 year follow-up cohort study. BMJ, 342(mar01 1), d738. https://doi.org/10.1136/bmj.d738
5.7 Caspi, A., Moffitt, T. E., Cannon, M., McClay, J., Murray, R., Harrington, H., Taylor, A., Arseneault, L., Williams, B., Braithwaite, A., Poulton, R., & Craig, I. W. (2005). Moderation of the effect of Adolescent-Onset Cannabis use on adult psychosis by a functional polymorphism in the Catechol-O-Methyltransferase gene: Longitudinal evidence of a gene X environment interaction. Biological Psychiatry, 57(10), 1117–1127. https://doi.org/10.1016/j.biopsych.2005.01.026
6.8 Colizzi, M., Iyegbe, C., Powell, J., Ursini, G., Porcelli, A., Bonvino, A., Taurisano, P., Romano, R., Masellis, R., Blasi, G., Morgan, C., Aitchison, K., Mondelli, V., Luzi, S., Kolliakou, A., David, A., Murray, R. M., Bertolino, A., & Di Forti, M. (2015). Interaction between functional genetic variation of DRD2 and cannabis use on risk of psychosis. Schizophrenia Bulletin, 41(5), 1171–1182. https://doi.org/10.1093/schbul/sbv032
7.9 Nombora, O., Rodrigues, T., Felgueiras, P., Silva, B. F. & Venâncio, Â. (2024). Menopause-associated Psychosis: A Case Report and Literature Review. Psychiatry Research Case Reports, 3(1), 100210. https://doi.org/10.1016/j.psycr.2024.100210
8.10, 11 Davies, C., & Bhattacharyya, S. (2019). Cannabidiol as a potential treatment for psychosis. Therapeutic Advances in Psychopharmacology, 9, 204512531988191. https://doi.org/10.1177/2045125319881916
9. 12Schoeler, T., Ferris, J., & Winstock, A. R. (2022). Rates and correlates of cannabis-associated psychotic symptoms in over 230,000 people who use cannabis. Translational Psychiatry, 12(1), 1–8. https://doi.org/10.1038/s41398-022-02112-8