Anorexia nervosa, auch Magersucht genannt, ist eine Essstörung, die meist in der Pubertät beginnt. Die Erkrankung ist durch eine starke Gewichtsabnahme oder anhaltendes Untergewicht gekennzeichnet, wobei die Betroffenen aufgrund einer verzerrten Körperwahrnehmung die Schwere ihres Untergewichts häufig nicht erkennen. Der Weg aus der Magersucht ist oft lang und bedarf intensiver Unterstützung. Könnte medizinisches Cannabis eine Ergänzung zu einer bestehenden Therapie sein?
Anorexia nervosa, oft auch Magersucht genannt, ist eine Essstörung, bei der die Betroffenen extrem wenig essen und ein verzerrtes Körperbild haben. Sie haben eine übermäßige Angst vor Gewichtszunahme, auch wenn sie bereits stark untergewichtig sind. Je nachdem, ob die Betroffenen aktiv Maßnahmen zur Gewichtsreduktion ergreifen (z. B. Erbrechen), wird diese Essstörung in restriktiven und bulimischen Typ unterschieden.
Das stark reduzierte Körpergewicht bei Anorexia nervosa führt zu zahlreichen gesundheitlichen Komplikationen, unter anderem:
Das Sterberisiko ist um mehr als das 5-fache erhöht.1
Die Behandlung konzentriert sich hauptsächlich auf Psychotherapie (kognitive Verhaltenstherapie oder Familientherapie) und Ernährungstherapie. Bei starkem Untergewicht ist eine stationäre Therapie notwendig. Dennoch bleibt die Erkrankung oft chronisch und viele Betroffene haben lebenslang mit Symptomen zu kämpfen.2
Medizinisches Cannabis wird seit Jahren zur Behandlung von Übelkeit und Appetitlosigkeit bei Krebspatientinnen und Krebspatienten eingesetzt. Es wirkt über das körpereigene Endocannabinoid-System, das eine wichtige Rolle bei der Regulation von Hunger, Schmerzempfinden und Verdauung spielt. Eine bekannte Wirkung von Cannabis ist die Appetitsteigerung (Heißhunger).
Bei Patienten mit Anorexia nervosa liegt das Problem jedoch anders: Sie verspüren Hunger, vermeiden aber bewusst zu essen. Studien deuten darauf hin, dass Cannabinoide die Essmotivation steigern und den Belohnungseffekt der Nahrungsaufnahme verstärken könnten. Der genaue Zusammenhang zwischen dem Endocannabinoidsystem und Essstörungen ist jedoch noch nicht vollständig geklärt.3,4
Eine systematische Übersichtsarbeit mit 35 magersüchtigen Patientinnen und Patienten zeigte, dass niedrige Dosen des THC-Präparats Dronabinol in Kombination mit einer Therapie zur Gewichtszunahme zu einer zusätzlichen Gewichtszunahme von 0,25 kg pro Woche führen können – über die gewünschte Gewichtszunahme von 1 kg pro Woche hinaus.5
In einer anderen Studie berichteten 18 Personen mit Magersucht, die vier Wochen lang THC in Ölform eingenommen hatten, über eine Verbesserung ihrer Stimmung und ihres Körperbewusstseins. Eine signifikante Gewichtszunahme wurde jedoch nicht beobachtet.6
Die Datenlage zur Anwendung von medizinischem Cannabis bei Anorexia nervosa ist insgesamt noch dünn. Während medizinisches Cannabis bei Untergewicht und Appetitlosigkeit erfolgreich eingesetzt wird, ist Magersucht eine komplexe psychische Erkrankung, die von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst wird.
Ob eine Therapie mit medizinischem Cannabis sinnvoll ist, muss daher individuell und in enger Absprache mit dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin entschieden werden. Von einer Selbsttherapie ist dringend abzuraten.
Die Behandlung der Anorexia nervosa ist oft langwierig, was für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine Herausforderung darstellt. Medizinisches Cannabis könnte als ergänzende Therapie helfen, indem es den Heißhunger aktiviert, den Belohnungseffekt des Essens verstärkt und die Stimmungslage verbessert. Da die Datenlage jedoch begrenzt ist, sollte eine Behandlung mit medizinischem Cannabis nur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.Außerdem sollten auch die Symptomatik verschlechternde Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Übelkeit und Erbrechen, beachtet werden.
Die Dosierung von medizinischem Cannabis sollte immer in Absprache mit einem Arzt oder einer Ärztin erfolgen. Niedrige Dosierungen scheinen nach aktuellen Studien eher vorteilhaft zu sein.
Die häufigsten Nebenwirkungen von medizinischem Cannabis sind Schwindel, Mundtrockenheit, Übelkeit, Müdigkeit, Schlafstörungen, Erbrechen und Orientierungslosigkeit.
Medizinisches Cannabis sollte ausschließlich als Zusatztherapie eingesetzt werden, also immer in Kombination mit anderen Behandlungsformen. Eine Selbsttherapie ist nicht zu empfehlen – die Anwendung sollte mit einem Arzt / mit einer Ärztin abgestimmt werden.
Die Studienlage zu medizinischem Cannabis bei anderen Essstörungen ist ähnlich begrenzt wie bei Anorexia nervosa. Es gibt Hinweise darauf, dass medizinisches Cannabis die Hungersignale bei Binge-Eating-Störungen beeinflussen könnte.