Medizinisches Cannabis gegen Stress

Wirksamkeit und Risiken von CBD und THC bei chronischem Stress

Medizinisches Cannabis – insbesondere die Wirkstoffe CBD und THC – wird zunehmend als mögliche Unterstützung bei der Bewältigung von Stress diskutiert. In diesem Beitrag erfährst Du mehr über die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Anwendung von medizinischem Cannabis bei chronischem Stress sowie über potenzielle Risiken und Nebenwirkungen.

Medizinisch geprüft durch
unser internes Medical Team

Letzte Änderung:

3.1.2025

Das Wichtigste in Kürze
  • Studien zeigen, dass THC in niedrigen Dosen potenziell entspannend wirken kann,1 während CBD dazu beitragen kann, Stress abzubauen.2
  • Die Anwendung von medizinischem Cannabis gegen Stress kann in verschiedenen Darreichungsformen erfolgen.
  • Die Anwendung sollte unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, damit die individuelle Verträglichkeit und Wirksamkeit regelmäßig überprüft und die Dosierung gegebenenfalls angepasst werden kann.
Stress vs. chronischer Stress
  • Stress ist eine kurzfristige Reaktion des Körpers auf Herausforderungen. Er steigert die Leistungsfähigkeit und Konzentration und wird als positiver Stress (Eustress) bezeichnet, der motivierend wirkt.3
  • Im Gegensatz dazu bleibt bei chronischem Stress die körperliche Reaktion dauerhaft bestehen, was zu einer anhaltenden Anspannung und Belastung führt. Langfristig kann chronischer Stress ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen, darunter Schlafstörungen, Angstzustände und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.4

Dieser Beitrag widmet sich der Anwendung von medizinischem Cannabis bei chronischem Stress und beleuchtet, wie es zur Linderung von Symptomen beitragen kann.

Cannabis und die Wirkungsweise auf das Endocannabinoid-System (ECS) bei Stress

Geht es um die Regulierung von Stress und Emotionen, spielt das Endocannabinoid-System (ECS) eine entscheidende Rolle. Es besteht maßgeblich aus den Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und CB2, die über den gesamten Körper verteilt sind.

CB1-Rezeptoren befinden sich größtenteils im Gehirn und im zentralen Nervensystem. Sie sind entscheidend, wenn es um die Steuerung von Stressreaktionen geht. Eine Studie an Mäusen zeigt, dass THC an CB1-Rezeptoren bindet, die für emotionale Reaktionen verantwortlich sind. Diese Bindung kann kurzfristig die Widerstandsfähigkeit gegenüber Stress erhöhen. Allerdings können gleichzeitig negative Langzeiteffekte wie Abhängigkeit oder die Verstärkung von Angstzuständen auftreten.5

CB2-Rezeptoren hingegen sind vor allem im Immunsystem zu finden, wo sie primär für die Regulierung von Entzündungen zuständig sind. Eine Untersuchung zeigt, dass CBD und THC an diesen Rezeptoren entzündungshemmend wirken können, was dazu beitragen könnte, stressbedingte Entzündungen zu reduzieren.6 Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass CBD bei chronischem Stress, der oft mit Entzündungen einhergeht, nützlich sein könnte.7

Aktueller Forschungsstand zur Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei Stress

Die Forschung zur Wirkung von medizinischem Cannabis bei chronischem Stress hat bereits erste wissenschaftliche Erkenntnisse erbracht, steckt jedoch noch in den Anfängen. Erste Studien zeigen, dass die enthaltenen Cannabinoide wie THC und CBD unterschiedliche Wirkungen haben können.

So hat eine Studie der Universität Chicago gezeigt, dass bereits geringe Dosen von THC Stresssymptome lindern können. Höhere Dosen hingegen können einen gegenteiligen Effekt haben und negative emotionale Zustände wie Angst oder Unruhe erhöhen.8

Eine weitere Studie untersuchte die Wirkung von CBD auf Stress. Hier zeigt sich eine positive Wirkung auf Stress und Angst. So gibt es Hinweise darauf, dass CBD bei sozialen Stressoren wie einer öffentlichen Rede wirksam sein könnte.9

Andere Studien weisen darauf hin, dass chronischer Cannabis-Gebrauch zu einer erhöhten Stressreaktion und sogar zu Veränderungen der hormonellen Aktivität führen kann.10 Daher sind weitere Untersuchungen erforderlich, um die Auswirkungen besser zu verstehen.

Ist medizinisches Cannabis zur Stressbewältigung bei PTBS geeignet?

Eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine stressbedingte Erkrankung, die nach traumatischen Erlebnissen auftreten kann. Sie geht häufig mit Symptomen wie Albträumen, Schlafstörungen und erhöhter Wachsamkeit einher. Auch chronischer Stress kann eine mögliche Folge der PTBS sein.

Erste Studien weisen vorsichtig darauf hin, dass medizinisches Cannabis potenziell helfen könnte, Stresssymptome zu lindern und die Schlafqualität zu verbessern – insbesondere bei Patienten mit einer therapieresistenten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), (therapieresistent = Erkrankung, die auf keine der verfügbaren Behandlungsmethoden (Therapien) anspricht) – bei denen andere Behandlungsmethoden nicht wirken.

Allerdings basieren die bisherigen Erkenntnisse überwiegend auf Beobachtungsstudien mit geringer Evidenzqualität und kleinen Stichprobengrößen.11 Weitere randomisierte, kontrollierte Studien mit größeren Teilnehmerzahlen sind notwendig, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis bei der PTBS-Behandlung umfassend zu bewerten.

Medizinisches Cannabis zur Stressbewältigung: Mögliche Risiken und Nebenwirkungen

Die Anwendung von medizinischem Cannabis bei chronischem Stress kann mit einigen Risiken verbunden sein. Verschiedene Studien wie die folgenden weisen darauf hin, dass Cannabinoide wie THC und CBD sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf Stress haben können. Sie hängen von verschiedenen Faktoren wie der Dosierung, der Häufigkeit und Dauer der Anwendung und der individuellen Gesundheit ab. Zudem kann der Auslöser der chronischen Stresssituation eine Rolle spielen.

  • Zu den kurzfristigen Risiken des Cannabis-Gebrauchs können Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Koordinationsprobleme gehören. 
  • Zu den langfristigen Risiken können Abhängigkeit und psychiatrische Erkrankungen zählen.

So berichtet eine Studie, dass bei häufigem Cannabis-Gebrauch ein erhöhtes Risiko für kognitive Beeinträchtigungen im mittleren Lebensalter besteht, insbesondere für das verbale Gedächtnis. Hinzu kommt eine Verlangsamung der Verarbeitungsgeschwindigkeit. Dies könnte sowohl für medizinisches Cannabis, als auch für den Freizeitkonsum gelten.12, 13

Ist jede:r für eine medizinische Cannabis-Therapie gegen Stress geeignet?

Nein, eine Therapie ist nicht für jede Person geeignet. In einer klinisch fokussierten systematischen Überprüfung fanden Forscher und Forscherinnen heraus, dass medizinisches Cannabis, insbesondere CBD gegen Stress, mit Risiken verbunden sein kann, vor allem bei Patientinnen und Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen.

Dies gilt nicht nur für Stress, sondern auch für den Einsatz von medizinischem Cannabis bei psychischen Erkrankungen generell. So kann regelmäßiger Gebrauch das Risiko für psychische Störungen und Abhängigkeit erhöhen. Vorsicht ist insbesondere bei Personen geboten, die bereits an psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie leiden. Aus diesem Grund ist eine sorgfältige individuelle Risikoabwägung durch eine medizinische Fachperson unbedingt notwendig.14

Vorab-Hinweis: Hole Dir ärztlichen Rat ein

Stress kann viele verschiedene Ursachen haben, z. B. körperliche Erkrankungen oder psychische / soziale Faktoren, die zunächst medizinisch abgeklärt werden sollten. Dein Arzt oder Deine Ärztin kann Dir dabei helfen, zu entscheiden, ob ein Cannabinoid-Medikament für Dich die geeignete Behandlungsmethode ist oder ob vielleicht andere Methoden sinnvoller sind. Darüber hinaus sollte eine Therapie mit medizinischem Cannabis immer ärztlich überwacht und begleitet werden.

Zusammenfassung

Die Verwendung von medizinischem Cannabis, insbesondere THC und CBD, kann potenziell bei der Bewältigung von chronischem Stress hilfreich sein. THC zeigt in niedrigen Dosen eine stresslindernde Wirkung, während CBD entzündungshemmende Eigenschaften besitzt, die ebenfalls zur Stressreduktion beitragen können. Allerdings sind Risiken wie potenzielle kognitive Beeinträchtigungen und Abhängigkeit zu beachten, insbesondere bei längerem Gebrauch. Eine ärztliche Beratung ist unerlässlich, um die richtige Dosierung und Anwendung zu bestimmen und individuelle Risiken zu bewerten. Weitere Studien sind erforderlich, um die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit von medizinischem Cannabis bei der Bewältigung von chronischem Stress besser zu verstehen.15

Das könnte Dich auch interessieren

Häufige Fragen

Studien zeigen, dass CBD aufgrund seiner entzündungshemmenden und beruhigenden Eigenschaften bei Stress helfen kann.16 THC kann in geringen Dosen entspannend wirken, in höheren Dosen jedoch das Gegenteil bewirken, was bei der Therapie berücksichtigt werden sollte.17 Wichtig: Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf medizinische Cannabis-Produkte. Daher kann die Wahl des geeigneten Produkts von Person zu Person variieren. Es ist daher ratsam, die Behandlung unter ärztlicher Aufsicht durchzuführen, um die richtige Dosierung und Zusammensetzung sicherzustellen.

Jeder Mensch reagiert anders auf Cannabis. Deshalb sollte die Therapie immer unter ärztlicher Aufsicht erfolgen. Es empfiehlt sich, mit einer niedrigen Dosis zu beginnen und diese langsam zu steigern. Eine engmaschige ärztliche Kontrolle ist wichtig, um die Dosierung gegebenenfalls anzupassen. Nur so kann eine optimale Wirkung erzielt und eine Überdosierung vermieden werden.

Medizinisches Cannabis sollte nur dann eingesetzt werden, wenn eine medizinische Indikation (Anwendungsgrund) vorliegt und andere Therapien nicht ausreichen. Um die richtige Anwendungsform zu bestimmen, ist eine ärztliche Beratung erforderlich. Medizinisches Cannabis ist rezeptpflichtig. Die Therapie sollte unbedingt ärztlich überwacht werden, um die richtige Anwendungsform und Dosierung sicherzustellen und mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.

Cannabis sollte nur nach ärztlicher Beratung und Empfehlung verwendet werden. Eine medizinische Fachperson entscheidet, ob es in Deinem Fall zur Stressbewältigung geeignet ist und ob mögliche Risiken bestehen. Grundsätzlich sollte immer zuerst die Ursache der chronischen Stressbelastung ärztlich abgeklärt werden, bevor eine Behandlung mit medizinischem Cannabis in Betracht gezogen wird. Denn gerade bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie ist besondere Vorsicht geboten.

Die Wahl des richtigen Cannabis-Produkts sollte immer in Absprache mit einem Arzt oder einer Ärztin erfolgen. Nur eine medizinische Fachperson kann eine fundierte Entscheidung über die geeignete Therapie treffen und ein entsprechendes Rezept ausstellen. Dabei sollten auch individuelle Vorlieben und die Verträglichkeit der Produkte berücksichtigt werden. Vor Beginn der Behandlung stellt ein ärztliches Gespräch sicher, dass das gewählte Produkt und die Dosierung auf die individuellen Bedürfnisse und Verträglichkeit abgestimmt sind.

Quellenangaben

  1. 1, 8, 17 Childs, E., Lutz, J. A. & De Wit, H. (2017). Dose-related effects of delta-9-THC on emotional responses to acute psychosocial stress. Drug And Alcohol Dependence, 177, 136–144. https://doi.org/10.1016/j.drugalcdep.2017.03.030
  2. 2 Henson, J., Vitetta, L., Quezada, M., & Hall, S. (2021). Enhancing Endocannabinoid Control of Stress with Cannabidiol. Journal of Clinical Medicine, 10(24), 5852. https://doi.org/10.3390/jcm10245852
  3. 3 Gesundheitskasse, A.-. D. (2023, July 19). Arten von Stress: Eustress und Distress. AOK - Die Gesundheitskasse. https://www.aok.de/pk/magazin/wohlbefinden/stress/arten-von-stress-eustress-und-distress/
  4. 4 Distress – negativer Stress. (n.d.). https://psylex.de/psychische-probleme/stress/distress/
  5. 5 Bluett, R. J., Báldi, R., Haymer, A., Gaulden, A. D., Hartley, N. D., Parrish, W. P., Baechle, J., Marcus, D. J., Mardam-Bey, R., Shonesy, B. C., Uddin, M. J., Marnett, L. J., Mackie, K., Colbran, R. J., Winder, D. G., & Patel, S. (2017). Endocannabinoid signalling modulates susceptibility to traumatic stress exposure. Nature Communications, 8(1). https://doi.org/10.1038/ncomms14782
  6. 6, 16 Anil, S. M., Peeri, H., & Koltai, H. (2022). Medical Cannabis activity against inflammation: Active compounds and modes of action. Frontiers in Pharmacology, 13. https://doi.org/10.3389/fphar.2022.908198
  7. 7 Pagano, C., Ciaglia, E., Coppola, L., Lopardo, V., Raimondo, A., Giuseppe, M., Lembo, S., Laezza, C., & Bifulco, M. (2024). Cannabidiol exerts multitarget immunomodulatory effects on PBMCs from individuals with psoriasis vulgaris. Frontiers in Immunology, 15. https://doi.org/10.3389/fimmu.2024.1373435
  8. 9 Linares, I. M., Zuardi, A. W., Pereira, L. C., Queiroz, R. H., Mechoulam, R., Guimarães, F. S., & Crippa, J. A. (2018). Cannabidiol presents an inverted U-shaped dose-response curve in a simulated public speaking test. Brazilian Journal of Psychiatry, 41(1), 9–14. https://doi.org/10.1590/1516-4446-2017-0015
  9. 10, 15 Al’Absi, M., & Allen, A. M. (2021). Impact of acute and chronic cannabis use on stress response Regulation: Challenging the belief that cannabis is an effective method for coping. Frontiers in Psychology, 12. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2021.687106
  10. 11 Rehman, Y., Saini, A., Huang, S., Sood, E., Gill, R., & Yanikomeroglu, S. (2021). Cannabis in the management of PTSD: a systematic review. AIMS Neuroscience, 8(3), 414–434. https://doi.org/10.3934/neuroscience.2021022
  11. 12 Hill, K. P. (2020). Medical cannabis. JAMA, 323(6), 580. https://doi.org/10.1001/jama.2019.17403
  12. 13 Auer, R., Vittinghoff, E., Yaffe, K., Künzi, A., Kertesz, S. G., Levine, D. A., Albanese, E., Whitmer, R. A., Jacobs, D. R., Sidney, S., Glymour, M. M., & Pletcher, M. J. (2016). Association between lifetime marijuana use and cognitive function in middle age. JAMA Internal Medicine, 176(3), 352. https://doi.org/10.1001/jamainternmed.2015.7841
  13. 14 Sarris, J., Sinclair, J., Karamacoska, D., Davidson, M., & Firth, J. (2020). Medicinal cannabis for psychiatric disorders: a clinically-focused systematic review. BMC Psychiatry, 20(1). https://doi.org/10.1186/s12888-019-2409-8